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AutorenbildAndrea Spehr

Der Beginn des Abenteuers

Während Annette, Barbara und Friederike bereits seit gestern bzw vorgestern in Schottland sind – und heute das erste Stück des Schottischen Highland Weges bezwingen  – werden Benedicta und ich erst heute Abend zu den anderen in Drymen dazu stoßen. Morgens bin ich nervös, und da ich nicht gut geschlafen habe auch etwas unausgeschlafen. „Wovor habe ich eigentlich Angst?“ und „Was genau macht mich so nervös?“, sind die beiden Fragen, die ich schon seit ein paar Tagen im Kopf habe. Zum einen ist da der Weg durch das Schottische Hochland, vor dem ich großen Respekt habe. Schließlich gilt es, jeden Tag eine bestimmte Strecke zurück zu legen, um abends die reservierten Quartiere zu erreichen. Die Landschaft wird wunderschön sein, aber es gibt nur wenig bis überhaupt keine Infrastruktur. Im Vorfeld war Friederike trotzdem positiv und optimistisch und meinte: „Ach, irgendein Schäfer wird uns schon aufsammeln, wenn wir nicht mehr könnnen…“ Die zweite Sache, die mich beschäftigt, ist, wie wir als Gruppe zurechtkommen werden. Sicher, es gab bereits ein paar (online) Treffen und zahlreiche Whatsapp-Nachrichten, aber trotzdem sind es vier mehr oder weniger unbekannte Frauen, mit denen ich jetzt die nächsten 10 Tage verbringen werde. Ein Thema haben wir alle gemeinsam, den Verlust unseres geliebten Partners. Und vielleicht ist es ja so, dass wir schon aus diesem Grund sensibel auf die Gefühle der anderen reagieren werden.

Am Flughafen zu sitzen und zu warten, habe ich immer schon überaus spannend empfunden: so viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und mit den unterschiedlichsten Sprachen warten auf ihren Abflug in die Welt. Die meisten sind dabei entspannt und fröhlich, manche aber auch gestresst und hektisch unterwegs. 

Ich bin schonmal froh, dass mich die Bahn heute nicht im Stich gelassen hat und ich überpünktlich am Flughafen ankomme. Entspannt schlendere ich durch die Sicherheitskontrolle, an der gerade nicht viel los ist. Der Sicherheitsbeamte fordert mich freundlich auf, meine dicken Wanderschuhe auszuziehen, da sie einmal durchleuchtet werden müssen. Er fragt mich, ob ich wandern gehen möchte und wohin meine Reise gehen wird. Als ich ihm erzähle, dass ich mit vier weiteren Frauen den Schottischen Highland Way erwandern werde, wird er etwas emotional: „Das ist schon so lange mein Traum“, verrät er mir. „Mittelalter und alte Burgen und so… Aber da will keiner hin, die anderen wollen bloß immer nur ans Meer.“ Ich erwidere, dass er in Schottland nie allein sein wird, denn spätestens wenn er abends in einem Pub sitzt, wird er Gesellschaft erhalten. Der Sicherheitsbeamte seufzt noch einmal tief und antwortet: „Ja vielleicht mache ich das wirklich irgendwann mal“, und wünscht mir noch eine wunderschöne Reise. Ich hätte ihm gerne erzählt, wie endlich das Leben manchmal sein kann und dass man seine Träume nicht auf „irgendwann einmal“ verschieben sollte, aber das scheint mir gerade nicht der passende Ort dafür zu sein. 

Der Flug nach Edinburgh ist sehr angenehm, es gibt sogar einen kleinen Snack und etwas zu trinken, und noch ahne ich nicht, welche Überraschung nach der Ankunft auf mich wartet: mein Koffer ist nicht mitgekommen… Ich versuche, nicht in Tränen auszubrechen und gebe meine Kontaktdaten mit allem, was dazu gehört, in einen Rechner ein, vor dem sich bereits eine kleine Schlange gebildet hat. Ich bin so froh, dass kurz nach mir Benedicta am Flughafen ankommt und versucht, mir in dem gleichen Bus, den sie für sich gebucht hat, einen Platz zu sichern. Mit Hilfe von „Einheimischen“ finden wir den richtigen Bus, der uns nach Glasgow bringt, steigen später noch einmal in einen Zug und dann nochmals in einen Bus um. Bei dieser letzten Busfahrt – schon recht spät am Abend – kommt es mir vor, als säße ich in einer Achterbahn – zum Glück ohne Überschlag. Das Schild am Straßenrand „Thank you for driving carefully“, nimmt der Fahrer offenbar mit sehr viel Humor…

Die anderen drei erwarten uns vor unserer Unterkunft für diese Nacht, und es wird eine sehr fröhliche Begrüßung! Annette, Barbara und Friederike sind heute bereits die 20 km von Milgnavie nach Drymen gewandert und zeigen uns in der Bar tolle Fotos vom Tag. Das Wetter hat sich von seiner besten Seite gesagt, es sind hochsommerliche Verhältnisse für Schottland, würde ich sagen. Als wir kurz noch einmal vor die Tür gehen, um nach Polarlichtern Ausschau zu halten, kommt der Barkeeper unseres Hotels zum Rauchen nach draußen: meine Chance für ein erstes Foto mit einem echten Schotten!

Ob es das Wetter weiterhin gut mit uns meint und ob mich mein Koffer erreichen wird: ich werde berichten!


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