Heute früh werden wir mit einem strahlend blauen Himmel begrüßt, der Tag verspricht, wieder sehr warm zu werden. Im Gemeinschaftsbad treffe ich auf eine Engländerin, die einen heftigen Sonnenbrand auf den Schultern hat. Sie ist dankbar für die Sonnenmilch mit hohem Lichtschutzfaktor, die ich ihr anbiete. Vermutlich gehört Sonnenmilch nicht zu den Standardprodukten in schottischen Geschäften…
Da die Sonne schon um kurz nach 9 Uhr stechend ist, ist eine Kopfbedeckung heute unabdingbar. Jede von uns findet ein Cappi, ein Hütchen oder auch ein T-Shirt für den Kopf, das Schutz vor der Strahlung bietet; zum Glück gibt es keinen Dresscode auf dem Highland Way…
Unser Weg soll heute bis Kinlochleven führen. Zunächst geht es über einen Pass bis zum höchsten Punkt des West Highland Ways in 584 Metern Höhe. Dieser Abschnitt wird „Devil‘s Staircase“ (also in etwa „Teufelstreppe“) genannt. Ursprünglich stammt dieser Name daher, dass im 18. Jahrhundert das Bauen der Straße von Glencoe (in der Nähe von Kingshouse Hotel) über den Hügel an dieser Stelle besonders anstrengend gewesen sein soll.
Wir gehen schwer atmend in kleinen Schritten nach oben, und ich verstehe nicht, wie Menschen es schaffen, diesen Abschnitt laufend zu bewältigen. Zwei Herren, deutlich älter als ich, joggen freundlich grüßend am Berg an uns vorbei.
Auf dem Weg ist heute ein junger Mann unterwegs, der die ganze Zeit unterschiedliche Songs laufen lässt und dazu singt. Wir kommen kurz ins Gespräch und er erklärt mir: „You don‘t cry when you sing all the time.“ („Du weinst nicht, wenn Du die ganze Zeit singst.“) Vermutlich gibt es einige Menschen hier auf dem Weg, die ein „Päckchen“ mit sich tragen…
Die Strecke scheint heute viel länger als „nur“ knapp 15 Kilometer zu sein. Die letzten drei Kilometer führt der Weg steil ins Tal, so dass wir in Serpentinen gehen müssen, um auf dem steinigen Untergrund nicht auszurutschen.
Wir sind sehr erleichtert, als die Unterkunft endlich in Sichtweite kommt und freuen uns auf eine erfrischende Dusche!
Abends sitzen wir zusammen in einem örtlichen Pub, lassen uns die Pommes schmecken und sinnieren, dass unser Weg tatsächlich schon morgen zu Ende sein wird…